Die Aussichten für die Schweizer Exportwirtschaft haben sich aufgehellt: Die Exportstimmung ist in den vergangenen Monaten klar angestiegen und liegt aktuell deutlich über der Wachstumsschwelle. Ob damit nach einer zweijährigen Phase der Abkühlung die Trendwende geschafft ist, wird auch davon abhängen, wie sich die geopolitischen Spannungen weiterentwickeln. Diese hemmen derzeit das Exportwachstum massgeblich und veranlassen die KMU, konservativ zu agieren und sich auf bewährte, stabile Märkte zu konzentrieren.
Die Schweizer KMU blicken zuversichtlicher auf die kommenden Monate als noch vor einem halben Jahr. Die Exportstimmung, die von Switzerland Global Enterprise in einer halbjährlichen Umfrage unter den exportorientieren Schweizer KMU ermittelt wird, stieg um 11.2 Punkte an. Neu liegt sie mit 62.8 Punkten wieder deutlich über der Wachstumsschwelle von 50 Punkten. Dies, nachdem sich die Wirtschaft nach Höchstwerten im Januar 2022 kontinuierlich abgekühlt hatte.
Stimmungswandel nach verhaltenem Jahresbeginn
Aktuell erwarten 50% aller befragten Firmen ein Exportwachstum im zweiten Halbjahr. Nur 12% rechnen mit einer rückläufigen Entwicklung. Grund dafür dürfte sein, dass sich die Auftragssituation nach einem schwächelnden Jahresstart in den letzten Monaten verbessert hat. Auch das Gesamtjahr 2024 wird nun positiver beurteilt als im Dezember, als eine anhaltende Stagnation erwartet worden war.
Europa und die USA als Schlüsselmärkte
Trotz der allgemein erfreulichen Aussichten ist die Unbeschwertheit noch nicht zurück. Dies zeigt sich vor allem darin, dass der Risikoappetit gering bleibt und stattdessen bewährte und stabile Märkte in den Fokus rücken. So wollen 46% der Unternehmen keine neuen Märkte erobern. Demgegenüber bleiben Europa und die USA die wichtigsten Exportdestinationen für die Schweizer KMU, wobei vier von fünf Firmen Waren nach Deutschland liefern (80%). Dahinter liegen mit gewohnt deutlichem Abstand Frankreich, Italien, die USA und weitere europäische Länder. China folgt auf Rang 8.
Sorgen um geopolitische Herausforderungen nehmen zu
Gründe für die geringe Abenteuerlust liegen in den aktuellen Währungsrisiken, in den hohen Energie- und Rohstoffpreisen und im Fachkräftemangel. Zwar verlieren diese Themen alle an Bedeutung, bleiben aber nach wie vor die grössten Sorgen. Im Gegensatz dazu werden die geopolitischen Herausforderungen immer wichtiger: das Verhältnis der Schweiz zur EU, der Russland-Ukraine-Konflikt, die Spannungen zwischen den USA und China sowie der weltweit zunehmende Protektionismus. Aber auch die Spannungen im Nahen Osten beschäftigen fast jedes fünfte Schweizer KMU (19%).
Nachhaltigkeit und künstliche Intelligenz
Ein nachhaltiges Wirtschaften gewinnt an Bedeutung. So kennt heute die Hälfte der befragten Firmen eine Nachhaltigkeitsberichterstattung oder plant, eine solche einzuführen. 25% haben sich bereits ein Netto-Null-Ziel im Sinne des Pariser Klimaabkommens gesetzt. Noch einen weiten Weg haben die Unternehmen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI) vor sich: Erst 39% der Firmen nutzen in ihrem internationalen Geschäft künstliche Intelligenz. Eingesetzt wird sie hauptsächlich, um Marktanalysen zu erstellen und Markttrends zu erkennen, um Marketingstrategien zu optimieren und um einen KI-basierten Kundenservice anzubieten.
Alberto Silini